Infratest
Ein Umfrageerlebnis ohne
Umfrageergebnis.
Also, ich war eines Spätnachmittags gerade dabei, eine leckere, scharfe Ingwerschokolade zu vernaschen und mich stolz über mein zweites Buch zu freuen, da wurde ich von Infratest angerufen und
sehr freundlich gefragt, ob ich wohl einen Moment Zeit hätte und mich vielleicht zu meinen Lesegewohnheiten äußern wolle.
Ich schluckte und wollte. Ausnahmsweise.
Während sie also mein Alter,
Familienstand, akademischen Grad usw. wissen will, gehe ich, mit der Dame am Ohr, an meine kleine aktuelle Bücherwand.
Zu den spannenden Werken, wie etwa Schorlau, Harris, Schätzing, Larsson, King usw. oder weiter oben zu den humorvollen bis leicht nachdenklichen wie Goldt, Kehlmann, Richter, Terziani, und so weiter.
Die Werke von Eco, Balzac, Böll,
Lenz, Grass, Tolstoi, Solschenizyn, Huxley, Bradbury, Lem, Orwell und wie sie alle heißen - liegen mittlerweile, mitsamt der veralteten Fachbücher, in Kartons verpackt auf dem
Dachboden...
Aber nein, sie möchte etwas über meine täglichen Lesegewohnheiten wissen, also welche Presseerzeugnisse ich konsumiere. „Ach so“, sage ich, und lege los: „TAZ, FR, FAZ, ZEIT, Freitag, Tagesspiegel, SZ, da schau ich meist täglich rein“.
Die Frage nach einem Abonnement
verneine ich. Ob ich denn auch mal die BILD lese oder den Spiegel. „Sehr selten. Meistens schreiben die mir doch zu reißerisch“ sage ich, "eigentlich nur ausnahmsweise, falls es mal von irgendwem
vertrauenswürdig verlinkt ist und ich das Thema gerade spannend finde“.
„Ach,“ sagt sie fragend, „Sie lesen
das alles online?“
„Selbstverständlich“, sage ich, „aktueller kann man ja fast nicht unterrichtet sein.“
„Dann können wir das Gespräch jetzt
auch beenden," meinte sie abrupt, "denn diese Umfrage berücksichtige nur die gedruckten Zeitungen und für anderes habe sie keine Rubrik („Spalte“ sagte sie, glaub ich).
Im Nachhinein vermute ich mal, dass es ohne weiteres sein kann, das ich in dieser Umfrage, bzw. der daraus resultierenden Statistik,
als ein nicht lesender und dementsprechend uninformierter Akademiker verbucht wurde.
Als weiteres Opfer der Statistik sozusagen.