Lumumba

Der Wirt hatte beim Bezahlen irgendwas vom meinem unheimlichen Heimweg genuschelt. Der Satz war allerdings halb im Kassengeklingel untergegangenen und ich hatte mich, wie jeden Mittwoch, auf den Weg gemacht.

Und nun, auf etwa halber Strecke durch das Sumpfgebiet, bewegte sich ein fremdes Wesen am Wegesrand vor mir. Nur langsam schwankend, aber irgendwie bedrohlich ruhig vor und zurück.

Es kam dabei jedoch überhaupt nicht vom Fleck und blieb unheimlich lautlos, obwohl es in der Dunkelheit wesentlich mächtiger wirkte, als man sich im allgemeinen einen ausgewachsenen Elefantenschädel vorstellen würde.

Nur war dieses Ding um einiges größer und ragte merkwürdigerweise direkt aus dem Boden des angrenzenden Sumpfes. Unmittelbar am Wegesrand.

Auch wegen des Nebels, der vor dem Morgengrauen vom Meer herauf gezogen kam, war sein Umfang nicht klar auszumachen. Es waren weder Hals noch Körper zu sehen, nur dieser riesengroße, ziemlich kantige Kopf, der sich beinahe unmerklich bewegte. Als würde dieses Monster sprungbereit auf irgend etwas lauern.

Der Weg, auf dem ich unterwegs war, war hier sehr schmal. Nur etwa einen Meter breit. Linksseitig erahnte man dieses sumpfige Schilfgebiet und rechts war das in der Dunkelheit ruhig vor sich hin plätschernde Meer zu hören. Wenn ich also trockenen Fußes nach Hause wollte, musste ich wohl oder übel, recht nah an diesem unbekanntem 
Etwas vorbei.


Wir hatten die halbe Nacht Doppelkopf gespielt und dabei ordentlich Lumumba getrunken. Dieses süße Kakaogemisch mit hochprozentigem Brandy. Entsprechend unsicher war ich auf meinen Beinen unterwegs.

Andererseits aber auch wieder recht mutig, ja beinahe verwegen. Zumindest nach dem ersten Schreck, der mir wahrhaftig richtig tief in die Glieder gefahren war.

Ich stand eine gefühlte Ewigkeit ebenso angewurzelt und leicht schwankend da, wie dieses fremde Wesen.

Dann machte ich mutig einige kleine Schritte, konnte aber noch immer nicht erkennen, was da lauerte. Aber ich hörte nun, dass sein schwerer Atem ab und an von ungeduldig klingendem Schnauben begleitet wurde.

Fünf weitere vorsichtige Schritte. In seinem Gesicht bewegte sich etwas undefinierbares hin und her. Schemenhaft. Beinahe wie eine lange Zunge oder, weil es oben am Kopf begann, eher wie eine Art Rüssel.

Ich verharrte wieder. Mein Herz pochte. Solch ein Lebewesen gab es auf der Erdoberfläche meines Wissens überhaupt nicht. Gruselig, besonders an diesem Ort, so zwischen Sumpf und Meer. Der Gedanke an das "Ungeheurer von Loch Ness" schoss durch mein Hirn.

Es schnaubte nochmals. Als sei es wütend oder ungeduldig. Ich schreckte zurück. Diesmal war es ein kräftigeres, schnarchiges Schnauben, dass mich an irgendein großes Erdentier erinnerte. Es hatte mich nun vermutlich bemerkt.

Ich überlegte hektisch, mich einfach schnell umzudrehen und schleunigst zu verschwinden. Die anhaltende Wirkung des Lumumba bremste mich jedoch aus. So blieb ich einfach nochmals, wie eine leicht schwankende Statue, an meinem Platz stehen. Abwartend darauf lauernd, was wohl als nächstes passieren würde.

Es dämmerte zwar noch nicht, aber es hätte mich trotzdem nicht sonderlich verwundert, wenn hier nun der allseits bekannte und viel besungene weiße Neger Wumbaba, neben diesem merkwürdigen schwarzen Monster aufgetaucht wäre. Bei diesem Gedanken grinste ich verhalten in mich hinein. Lumumba und Wumbaba. Sie entspannten in diesem Moment gemeinsam die etwas heikle Situation.

Ich fasste neuen Mut und ging weiter voran. Der Blickwinkel veränderte sich dabei etwas, was mich nunmehr die Vertiefung erkennen ließ, aus der das Wesen herausragte. Es schien im Dunkel des Lochs zu enden. Und es wirkte nun plötzlich auch eher gefangen als bedrohlich. Zu sehr mit sich beschäftigt, als für mich gefährlich zu sein.

Ich konnte mit einem mal die Konturen erkennen. Dieses Wesen stand verkehrt herum. Ich hatte das hoch ragende Hinterteil, also diese beiden kräftigen Muskelpakete, fälschlicherweise für einen schwebenden, monströsen Kopf gehalten, da das hohe Gras die unteren Gliedmaßen, also die Hinterbeine, vollkommen verdeckte.


Es war ein Pferd. Ein großes, dunkles Pferd zwar, aber kein Monster. Es steckte mit beiden Vorderbeinen im morastigen Sumpf fest und versuchte verzweifelt, sich aus dieser misslichen Lage zu befreien.

Ich wusste schon jetzt, welch abgedrehte Story ich beim nächsten Besuch in der Stammkneipe zu erzählen hätte.

Nun sprach ich jedoch erst einmal beruhigend auf uns beide ein und organisierte Hilfe.

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