Palm o live

 

 

 Auf den ersten Blick sah es wie selbst gemacht aus. Weiß und sämig. Er hatte es in seine Hand gespritzt. „Von der Palme geschüttelt“, wie manch Einer es umgangssprachlich ausdrücken würde, war es allerdings nicht. „Palmolive naturalis“ stand auf der harten Kunststoffflasche mit der runden Kappe. Ein Duschgel aus ihrem Regal. Palm o live!

 

  Er war noch völlig erotisiert. Sie hatte gerade alles vorstellbare mit ihm gemacht. Obwohl sie anscheinend schon ein wenig ihre Periode hatte, wurde nichts ausgelassen. Sie wollte ihn überall haben. Es war wie ein Rausch. Endlich!

 

Zwei Jahre hatte er sich jede Annäherung verkniffen und tugendhaft ihrer erotischen Anziehung widerstanden. In der Hauptsache wollte er seiner Frau treu bleiben und auch wegen des Jobs hielt er sich schweren Herzens zurück. Er wollte Dienstliches und Privates auf keinen Fall vermischen. Dabei war sie für ihn vom ersten Augenblick an, eine der begehrenswertesten Frauen in seinem Leben gewesen.


  Sie hatte dieses Wohlgefallen scheinbar ebenso gespürt wie er und infolgedessen auch Einiges angestellt, um ihn zu verführen.
  So hatte sie ihm zum Beispiel über das Büro vermitteln lassen, es wären einige Fliesen in ihrem Badezimmer locker. Er möge sich das doch mal ansehen. Dort sah er allerdings nur ihren schwarzen Slip auf dem Boden liegen. "Oh!", sagte sie und schob ihn zwanglos mit dem linken Fuß an die Seite, während er gewissenhaft auf einzelne Fliesen pochte, um eventuelle Hohlstellen zu lokalisieren. Es gab keine wirklichen Schäden.

Sie lud ihn anschließend zu einer kurzen Teepause ein und saß ihm dann wenige Minuten später in ihrem weiten Sommerkleidchen, mit angezogenen Knien, auf der Holzbank gegenüber. Die über den Tisch ragenden Knie wurden gerade noch so bedeckt. Sie wirkte etwas ungewöhnlich eingezwängt zwischen Tisch und Wand, aber sie fand es scheinbar bequem.

Als ihr der Teelöffel dann unvermittelt auf die Balkonfliesen schepperte, rührte sie sich nicht und da er sich schneller hinunter beugen konnte als sie, entdeckte sein schweifender Blick etwas, was ihn den Löffel gleich noch einmal klappernd fallen ließ. Sie hatte „vergessen“ sich einen frischen Slip anzuziehen. Dafür sah sie frisch rasiert aus.

Er blieb etwas länger unter dem Tisch als nötig gewesen wäre und stieß sich den Kopf, als er dann zu schnell wieder hoch kommen wollte. Sie lachte nicht, sondern fragte freundlich besorgt, ob`s denn schlimm sei.

Mein Kopf ist bestimmt so rot wie eine Hagebutte, dachte er und es fühlte sich zudem an, als sei er bereits durch überdurchschnittliche Durchblutung angeschwollen.

Er musste jedenfalls möglichst bald hier weg. Es sei gleich Feierabend, meinte er. Und es läge noch einiges an Arbeit auf seinem Schreibtisch.


Beim nächsten Mal gab es angeblich irgendwo feuchte Stellen. Er dachte sofort an die glatte Haut und den fehlenden Slip, musste die Sache jedoch selbstverständlich überprüfen. Schließlich war er auch für solche Kleinigkeiten zuständig.

Hinter dem Schlafzimmerregal sollte so eine dunkelgraue Stelle sein. Dort wo sie offensichtlich auch ihre Sammlung eindeutiger DVD`s aufbewahrte. Während er den DVD-Stapel ignorierte und den Fleck genauer überprüfte, stellte sie sich in ihrem kurzen Röckchen aufs Bett und reckte sich soweit, dass er beim Aufsehen wieder keinen Slip sah.

Dann wollte sie ihm plötzlich noch etwas Anderes zeigen und bat ihn neben sich, um mit ihr gemeinsam aus dem Fenster zu sehen. Er stieg allerdings nicht zu ihr auf das Bett, sondern stellte sich auf die Zehenspitzen neben sie. Sie fasste nach seiner Schulter und wies auf ein Fenster im Haus gegenüber. Dort würden es die Nachbarn machen. Mehr oder weniger öffentlich. Häufig so, dass sie dabei zusehen könne.
Diese feuchte Stelle sei eigentlich nur ein dunkler Fleck, meinte er freundlich. Vermutlich eine zurückliegende Putzausbesserung unter der Tapete.

Er versuchte seine zunehmende Erregung und Anspannung zu verbergen. Nun müsse er gehen. Er habe noch eine Besprechung mit einem Unternehmer.

 

Ein weiteres Mal wurde er gebeten, doch bitte morgens ganz früh vorbeizukommen. Es gäbe merkwürdige Geräusche. Meistens so um sieben Uhr herum. Als wäre etwas in der Wand oder eine Leitung nicht in Ordnung. Er möge es sich doch bitte einmal anhören. Er kam einige Tage später in den frühen Morgenstunden geflissentlich an ihre Tür und klingelte.
Es waren frostige zehn Grad minus und er hatte seine Daunenjacke angezogen. Nachdem sie die Wohnungstür im Nachthemd geöffnet hatte, hüpfte sie gleich wieder ins Bett. Von hier könne man das Geräusch am deutlichsten wahrnehmen, meinte sie. In ihrem Zimmer wurde ihm bald zu heiß und er öffnete seine Jacke. Sie sagte, er könne diese für den Moment ruhig ausziehen. Das Geräusch würde wohl gleich kommen.
Er wartete und rieb seine immer noch eiskalten Hände, während er lauschend neben ihrem Bett stand. „Psst!“ Meinte sie, wobei sie auffordernd auf ihre Zudecke klopfte und freundlich meinte, die Hände könne er gerne unter die warme Decke schieben. Sie setzte sich etwas auf, zog die Knie an und baute ein kleines, warmes Zelt für seine kalten Finger. Er tat gelassen, dachte naheliegender Weise jedoch an feuchte Stellen und fehlende Unterwäsche, während er wie zum Gebet am Bettrand niederkniete. Auch als sie etwas herunterrutschte und ihn zwischen ihre Fesseln und dem glühend wirkenden Po beinahe unmerklich einklemmte, blieb er äußerlich cool. Bis auf ein etwas schwerer wirkendes Atmen, blieb ein ungewöhnliches Geräusch an diesem Tag allerdings aus.
Seine Hände waren warm und am linken Handrücken etwas feucht geworden, als er betont lässig wieder aufstand. Er möge doch bei Gelegenheit noch einmal wieder kommen, bat sie. Und, sie würde noch etwas liegen bleiben. Er kenne sich ja aus.


Als sie dann Monate später in einer anderen Gegend wohnte, rief sie ihn überraschend im Büro an und lud ihn direkt ein. Unkompliziert und ohne weitere „Gründe“. Da er sowieso gerade von den Trennungsandrohungen seiner Frau genug hatte, fuhr er wenig später zu ihr.


Während er nun, nach über zwei Jahren selbst auferlegter Enthaltsamkeit, zufrieden bei ihr unter der warmen Dusche stand und sich durch einen Schlitz im Duschvorhang an ihren sinnlichen Formen erfreute, meinte sie, mit offenem Haar am Waschbecken stehend, es wäre wirklich sehr schön mit ihm gewesen. Sie wäre erst gestern mit einem drogenabhängigen Aidskranken zusammen gewesen. Der habe zwar auch noch alles einigermaßen hingekriegt, hätte es aber längst nicht mehr so richtig intensiv drauf gehabt.


Er erstarrte unter dem nachlassenden Wasserstrahl.

 

„AIDS!“, dachte er vollkommen panisch und wusch sich reflexhaft noch einmal sehr gründlich, mit dem ihm nun etwas ekelig scheinenden Palmolive. „Erst gestern! Er musste sofort zum Arzt. AIDS!“

 

Er wurde ziemlich hektisch und versuchte dann auch beinahe wortlos und ohne weitere Umschweife zu verschwinden.

 

Als er die Tür aufgeregt hinter sich schloss, hatte sie erstmals Verständnis für seinen unvermittelten Aufbruch. Sie beobachtete im Spiegel, wie ein recht zufriedenes Lächeln über ihr entspanntes Gesicht huschte.

 

 

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