Bargeld


In Europa kann man Gott sei dank, seit vielen Jahren mit Euros bezahlen. Auch in abgelegenen Gegenden.

Wenn man einige Zeit etwas abseits lebt, ist es schön, für alle Fälle, etwas mehr Bargeld in der Tasche zu haben.

Auf dem Weg von Südeuropa gen Norden, navigiert mich nun mein Gerät unter anderem auch durch Frankreich. 

Frankreich ist in diesen Tagen, nach einigen unklaren Anschlägen, im "Terrorabwehrmodus". Also mehr Kontrolle und Polizeipräsenz, nebst einer aufmerksamen, verängstigten Bevölkerung.
Ab und an fährt man auf so einer längeren Fahrt, notgedrungen, also aus Spritmangel, auch mal eine dieser scheinbar nur aus Glasfronten bestehenden, recht teuren Autobahntankstellen an. 24-Stunden-Service. Ausschließlich mit Karte.

Aber ich möchte dort, nach gutem Brauch und alter Sitte, möglichst in bar zahlen.
Das funktioniert tagsüber auch. Dazu muss man allerdings erst einmal sein Auto an einer freien Säule abstellen und zur Kasse gehen und dort vorhersagen, wie viele Liter in den Tank sollen. Die voraussichtliche Füllmenge muss an der Kasse im voraus bezahlt werden, um dann zum Fahrzeug zurückzugehen und die Tankfüllung im Auto unterzubringen. Pech, falls man sich vorher verschätzt hat.

Nun, vielleicht zeigen ja einige ultra moderne Fahrzeuge den fehlenden Tankinhalt genauer an, ich erahne jeweils nur, ob halb-, viertel voll oder Reserve angesagt ist. Zudem ist mein französisch nur so lala.

Ich gehe hinein und stehe nun also vor der Herrscherin des Glaspalastes. Die Entscheiderin bezüglich meiner möglichen Weiterfahrt, sitzt hinter einer senkrecht geschlitzten Glasscheibe, auf einer etwas erhöhten Kassenanlage.
Ich bin, wie gesagt, etwas unsicher, wie viel Sprit ich genau benötige und zudem hat bereits meine Ankündigung, ich wolle in bar bezahlen, ihren Gesichtsausdruck starr werden lassen. Sie musterte mich streng. "Wirklich keine Karte?"

Der Einfachheit halber sagte ich „nein“. Ich erklärte es nicht weiter, aber ich wollte halt einfach nach und nach, während der Rückfahrt, meine Bargeldreserve aufbrauchen.
Ihr Hirn arbeitete.

Sie erhob sich, während sie zu überlegen schien. Unübersehbar wurden dort gerade Dinge vernetzt, die nicht unabdingbar in Zusammenhang standen. In einer fremden Sprache zwar, aber das Ergebnis war ein gerader, steifer Rücken und unverkennbar herablassende Blicke. Diese sagten in etwa:
'Viel Bargeld, keine Bankkarte, ergo keine Bank, kein Zuhause, vermutlich auch keinen Ausweis: Terrorismusgefahr!'

Sie sah sich nach Publikum um, lehnte ihren Oberkörper, mit auffällig vorgeschobener Brust ans Regal und legte die Arme rechts und links auf die Bretter. Und fragte dann nochmals unüberhörbar laut und so, als wolle sie mich gleich hier zur Strecke bringen: "Keine Karte?!"
Umstehende wurden aufmerksam und schauten herüber.
Diese Körpersprache, nebst der Lautstärke, und dem Gefühl, hier mehr oder weniger öffentlich vorgeführt zu werden, ließen nun wiederum mich innerlich erstarren!

Denn nun vernetzten sich bei mir ungewöhnliche Dinge: elektronische Konten, elektronische Ausweiskarte, elektronische Überwachung, Macht, und dann kam der verblüffende Gedanke an Roland Freisler hinzu, Bildsequenzen von jenem gnadenlosen Nazi-Richter, der keinen Freispruch zuließ. Einer, der all seine zusammen gesuchten Indizien und Vorurteile krude zusammenfügte und dadurch letztendlich jeden Vorgeführten, in unerbittlichen Schauprozessen, am Ende auch zu verurteilen wusste.

Sogenannte 'Untermenschen', waren derart in die Mangel genommene Bürger, für das damals in Deutschland herrschende Nazisystem.

Ich sah mich um. Sie blickte lange und, wie mir schien, lauernd auf mich herab.

Ob dieser gesteigerten Kundenunfreundlichkeit, beschloss ich, dass der Tankinhalt doch noch ein paar Kilometer reichen müsste. Ich benötigte jedoch einige, meine Gedanken reinigende Augenblicke.

Zückte dann ganz entspannt keine meiner Karten, sondern zuckte nur kurz mit den Schultern und schüttelte ungläubig den Kopf, während ich mich abwandte und mich mit ungewöhnlich bewusst ausgeführten Schritten Richtung Ausgang bewegte.

 

Als „freier Mann“ verließ ich den Glasschaukasten.

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