Gefahren

Eine Safari in der afrikanischen Savanne kann einen Touristen sowohl in ungeahnte große, als auch in die eine oder andere, ganz unerwartete, kleine Verlegenheit bringen.

 

Wir waren jedenfalls einen ganzen Tag mit dem VW-Bus unterwegs, um uns ein paar wilde und vielleicht auch richtig mächtige und gefährliche Tiere anzusehen. Auf dem Dach unseres Gefährts befand sich eine Art Gepäck- oder Gitterrost, auf dem man üblicherweise voluminöse oder sperrige Teile hätte befestigen und transportieren können. Wir hatten dort jedoch eine dicke Gummimatte aufgelegt, auf der man mehr oder weniger bequem und erhöht sitzen und von der aus man etwas weiter in die Landschaft sehen konnte, als durch die gelb verstaubten Fensterscheiben. Von dort oben beobachteten wir einige im Sand badende Elefanten aus der Ferne und ein paar Giraffenhälse mit Kopf, die an Zweigen zu knabbern schienen. Beides ziemlich weit weg und deswegen nicht halb so spannend wie im Zoo. Jetzt, am Nachmittag meldete sich mein Darm. Und der eine oder andere wird’s kennen, wenn so eine Meldung erst mal wahrgenommen wurde, fordert sie auch ihren baldigen Vollzug.

 

In der Afrikanischen Savanne gibt es wenig schattige Stellen, aber wir hatten nach langer Fahrt durch unwegsames Gelände endlich eine entdeckt und den VW-Bus im Halbschatten, unter einigen kleinblättrigen Laubbäumen, geparkt, um eine Pause einzulegen. Mittlerweile hatte ich es schon recht eilig, wollte mich aber natürlich nicht direkt neben das Auto hocken und darum entfernte ich mich etwa fünfzig Meter von den Anderen und ging zu einem etwa haushohen Felsen am Gebüschrand. Vorsichtshalber sah ich mich noch mal gründlich um, bevor ich langsam um den Felsen schlich. Hier gab es eine geschützte Ecke, die ich so schnell ich konnte aufsuchte. Völlig unbeobachtet öffnete ich meine Hose und ging in die Knie. Doch noch bevor ich mich richtig niederhocken konnte, ertönte direkt aus dem Gesträuch über mir und vom Felsen hinter meinem Rücken, ein gellendes, ohrenbetäubendes Gekreische aus vielen Kehlen. Eine entsetzliche Erstarrung machte sich schlagartig in meinem ganzen Körper breit. Mit jedem Muskel unter Anspannung drehte ich mich hölzern um und versuchte dabei gleichzeitig die Hose wieder hochzuziehen. Zwischen zwölf und fünfzehn aufgerissene Mäuler mit gefährlich langen Eckzähnen kreischten mich tierisch schrill und pausenlos an. Die bedrohlichen Paviane versuchten mich mit ihrem mächtig lauten Geschrei zu vertreiben. Das klappte auch prompt. Diese Horde wilder Affen war mir dann doch zu plötzlich da und auf einmal viel zu nah und auch so markerschütternd laut, dass ich blitzartig wieder im schützenden Bus verschwunden war. Jemand erzählte mir dann, während der gemeinsamen Pause im sicheren Fahrzeug, Paviane würden manchmal sogar einzelne Löwen aus ihrem Gebiet oder der Umgebung ihres Kletterfelsens vertreiben. Was ich entsprechend leicht verkniffen und verständnisvoll nickend zur Kenntnis nahm.

 

Etwas später schaukelten wir behutsam und friedlich wieder raus aus dem wilden, unebenen Gelände. Ich wollte dabei als einziger oben auf der Matte sitzen bleiben. Nicht nur wegen der Aussicht, sondern auch wegen der Ablenkung. Mir machte es nämlich Spaß, das Geschaukel auf dem Wagendach möglichst geschmeidig auszubalancieren. Und als wir dann nach einigen Stunden holperiger Piste endlich eine glatt asphaltierte schmale Straße erreichten, konnte ich den Fahrtwind so richtig genießen. Ich saß im Schneidersitz auf dem Autodach und nach diesem langen, staubigen Tag unter der sengenden Sonne, war es fast wie fliegen. Und bei ungefähr neunzig Stundenkilometern war es denn auch soweit. Der künstliche heftige Sturm umtoste mich und fetzte an meiner leichten Sommerkleidung, dass es nur so knatterte. Meine Augen füllten sich mit Tränen und die Ohren rauschten. Ein tolles Gefühl. Und dann hob ich ab. Das heißt, erst hüpfte ich kurz und dann die hob Gummimatte auf der ich saß, mit einem Mal ab und drückte mich nach oben und nach hinten gleichzeitig. Das ganze ging so rasend schnell, dass meine Hände losgerissen wurden und ich, mit einem donnernden Rückwärtssalto, auf dem Autodach landete. Mir tat irgendwie alles weh, der Kopf dröhnte und ich war immer noch reichlich benommen, als der Wagen dann langsam stoppte. Ich kletterte vom Dach und war durch und durch froh, wieder auf den sicheren, weichen Autopolstern zu sitzen und untersuchte etwas zittrig meinen gepeinigten Körper. Gott sei Dank entdeckte ich nur ein paar Schürfwunden und diverse Druckstellen, die dann allerdings in den nächsten Tagen zu ansehnlichen blauen Flecken werden sollten.

 

Als wir an diesem Abend endlich in unserer Unterkunft angekommen waren, betrachtete ich zuerst meine Beulen im Flurspiegel, dann nahm ich mir etwas zu Lesen mit und setzte mich erstmal gemütlich und entspannt auf die Toilette. Puh, dachte ich, endlich ungestört. Meine Zeitschrift deponierte ich auf dem Wäschekorb neben mir. Ich mochte nun doch nicht mehr lesen. Ich wollte einfach nur dort sitzen. Doch noch bevor ich einigermaßen zur Ruhe gekommen war und diesen aufregenden Tag ein bisschen abschütteln konnte, bewegte sich plötzlich das Reisemagazin auf dem Korb, es verrutschte und glitt auf den Boden. Ich zuckte ein klein wenig zusammen und ließ es liegen. Ich wollte mich jetzt einfach überhaupt nicht mehr rühren. Einige Atemzüge lang herrschte Stille. Dann hörte ich ein leise kratzendes Schaben. Ich versuchte das Geräusch zu orten. Direkt im kaum geöffneten Wäschekorb neben mir bewegte sich etwas. Mir blieb fast das Herz stehen. So nah waren mir nicht einmal die Paviane am Nachmittag gekommen. Voller Anspannung und mit vorsichtigen Blicken, möglichst ohne den Kopf zu bewegen, erforschte ich das Halbdunkel im Inneren des Korbes. Wahrscheinlich eine Schlange, vermutete ich. Das Tier war jedenfalls undeutlich gestreift und bewegte sich behutsam und schleichend. Es war nicht deutlich zu erkennen, aber dann maunzte es glücklicherweise. Und es tauchte obendrein noch ein zweites neugieriges Kätzchen aus der Schmutzwäsche auf und gähnte ausgiebig und vertrauensvoll. Wobei es mir allerdings unablässig seine noch kleinen, aber doch recht spitzen Eckzähnchen zeigen musste.

 

Meine Erleichterung war verständlicher Weise ziemlich groß.

 

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