Freier Eintritt

 

Ich stehe und gehe mit. Schließe für kurze Momente die Augen, wippe leicht auf den Zehen und bemühe mich, mit der Rechten mein kühles Bier in Waage zu halten. Zu den Passagen, die mir besonders gefallen, schnipse ich ab und zu mit der linken Hand.

Etliche hundert, ja, vermutlich sogar einige tausend Menschen sind auf dem Platz. Aber es ist nicht eng. Man kann sich ohne weiteres herumdrehen und sowohl hinter oder auch vor mir, gehen ab und an Besucher ungehindert an mir vorbei.

Nicht nur die Luft, sondern auch das Bier hat heute genau die richtige Temperatur. Es ist alles in allem, eine selten heitere und beschwingte Sommerabendstimmung auf dem hiesigen Schlossplatz.

Ich stehe also mit geschlossenen Augen, ganz der Musik lauschend, in der Menge.

Da umfasst mich unvermittelt und beinahe vertraut, oberhalb meiner linken Hüfte eine fremde Hand. Einen Moment spüre ich durch mein feines Sommerhemd hindurch, ein Busenpaar unterhalb meiner Schulterblätter. Es bewandert meinen Rücken deutlich zielgerichtet und verschwindet nach rechts. Die Hand löst sich wieder und streift oberhalb der Gürtellinie, kurz und annähernd zärtlich meine parallelen Rückenmuskeln. Ein bloßer Oberarm berührt mich anschließend an meinem nackten, rechten Ellenbogen und jemand drängt sich seitlich an mir vorbei.

Sie wendet sich zielstrebig der vor mir stehenden Reihe zu. Von der Seite betrachtet, wirkt sie sehr selbstbewusst und etwas hippiemäßig. Insbesondere ihre knappen Hotpants und die westenartige, vielfarbige Bluse unterstreichen dieses Bild. Sie spricht mit einer ihr bekannten Person.

Meine Aufmerksamkeit wandert wieder zurück zur Bühne und richtet sich auf ein dezentes, aber sehr professionelles Schlagzeugsolo.

Einige Minuten später drängelt sie sich nochmals, nun jedoch linksseitig, an mir vorbei. Obwohl ich reflexhaft einen halben Schritt zu Seite ausweiche, streift ihr äußerer Oberschenkel dabei meine im Rhythmus schnipsende Hand und ihre weiche Bluse meinen Oberarm. Naja, denke ich einen Moment, die junge Frau scheint ja überhaupt keine Berührungsscheu zu kennen.

Das außergewöhnliche Konzert ist ungefähr eine Stunde später zu ende. Ich habe zwischendrin einige Bekannte getroffen und die Begegnung mittlerweile schon wieder vollkommen vergessen.

Der Platz hatte sich langsam bis auf einige Grüppchen geleert und aus den Lautsprechern dröhnte laut eine merkwürdige, unpassende Musik, die mich förmlich vertrieb.

Ich pilgere also zufrieden und mit gesenktem Haupt über den Platz zu meinem Fahrrad.

Völlig unerwartet spüre ich jählings eine große Hand an meiner rechten Pobacke. Diese wird mit einem festen Griff voll und gänzlich umfasst.

Ich komme mir für einige Sekundenbruchteile ungewohnt klein vor.

Also, mein Po wurde vermutlich in meinem dritten Lebensjahr auf diese Art angefasst und gekniffen. Es ist weder schmerzhaft, noch richtig unangenehm.

Ich spring nur überrascht mit einem Satz nach vorn und drehe mich gleichzeitig verblüfft nach einem möglichen Täter um.

Ein großgewachsenes Mannsbild zeigt ausladend und wie präsentierend auf eine Frau.

Diese steht, etwas schief grinsend, etliche Meter von uns entfernt. Ich erkenne sie an der bunten Bluse und der Weste wieder und nicke ihr freundlich zu.

Er weist nochmals ungeduldig auf sie, als wolle er mir etwas bestimmtes damit sagen.

Sie schüttelt, scheinbar unangenehm berührt, ihren Kopf und versucht gleichzeitig unauffällig, ihn zu sich zu winken.

Worauf ich, eher halbherzig grüßend, jedoch nach wie vor gut gelaunt, eine Hand zum Abschied hebe.

Insgesamt ein wenig irritiert und leicht zögerlich, wende ich mich ab und setze meinen Weg zum Fahrrad nachdenklich fort.

Irgendwie bleibt ein seltsames Gefühl der Unsicherheit zurück.

 

Erst Tage später jedoch, während ich bei einer anderen Gelegenheit, dieses merkwürdige Erlebnis einem Freund erzähle, wird mir klar, dass einiges von dem Vorgefallenen, ohne weiteres auch hätte justitiabel ausgelegt werden können.

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