Gleitmittel

Seit einigen Wochen litt ich sporadisch unter trockenen Augenlidern bzw. zeitweiliger, morgendlicher Verklebung.

Ich schob es einfach auf die Jahreszeit. Die Luft der Klimaanlage, Zugluft oder den Fahrtwind beim Radfahren.

In einer auf dem Weg liegenden Apotheke, fragte ich dann aber doch mal nach einem Mittel, welches mir eventuell helfen könnte.

In einem alten, renommierten Kurort. In einer sehr neuen, durchgestylten Apotheke. Dort standen die Bedienungsthresen geschickt gestaffelt und leicht versetzt nebeneinander, sodass eine relativ private Beratungsatmosphäre entstehen konnte.

Die entstand auch überraschend schnell. Denn die beratende Apothekerin erwies sich als aufmerksam zugewandt und war zudem auffällig gut durchgestylt.

Sie habe da etwas gegen eine Entzündung der Augenlider. Sie sah mir lange in die Augen. Kam noch einen Schritt näher und beugte sich vor. Ein ansprechendes "Sommerdekolleté", sah ich aus den "unteren Augenwinkeln". Falls es so etwas gibt.

Ich entschied mich sehr bewusst, meinen Blick nicht zu senken und erwiderte weiter den ihren.

"Aber das scheint ja bei Ihnen nicht der Fall zu sein," sagte sie nach ausgiebiger Betrachtung.

Ich betrachtete sie freundlich weiter zurück.

"Dann wäre eher dieses Mittel das in Frage kommende. Das ist sozusagen ein Gleitmittel für die Augen." Der Schelm in mir begann zu schmunzeln.

Beinahe gleichzeitig veränderte sie etwas ihre Beinstellung und, mit einem leichten Wiegen in der Hüfte, klaffte der weiße, glatt gebügelte Kittel, von unten bis in den Oberschenkelbereich auf. Mein Blick glitt reflexhaft abwärts.

"Aber dafür muss ich doch noch mal runter ins Lager, dies hier ist eine verschreibungspflichtige Packung." Sie wandte sich schwungvoll um und mein Blick löste sich nach wenigen Schritten wieder von ihren vernehmlich klickenden Absätzen.

Ich musterte geduldig abwartend die blitzenden Glasausstellungsregale und die strahlende Halogenbeleuchtung.

Eine weinende Frau am Nachbartresen zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Sie hatte die Bluse geöffnet und schluchzte. Tränen liefen über ihre Wangen und tropften auf ihre entblößte Brust. Sie hob ihren Busen mit der rechten Hand an. "Es tut so weh," klagte sie, "die hat mich direkt in die empfindlichste Stelle gestochen." Sie zeigte es genauer.
Durch die Staffelung der Tresen, konnte ich es auch sehr gut sehen.

"Direkt nach dem Stillen." Etwas Milch und noch mehr Tränen tropften.
Mein Eindruck war, ein Jeder in dem Raum, wollte ihr in diesem Moment irgendwie helfen.

Die adrette Apothekerin kam strahlend aus dem Lager zurück. Mit dem Gang einer Tänzerin. "Ist leider nicht mehr vorrätig", sagte sie lächelnd. Sie meinte das Gleitmittel. "Das müsste ich für Sie bestellen."

„Ach, nein danke,“ meinte ich freundlich. „Ich bin auf der Durchreise.“ So verabschiedete ich mich. Mitsamt meinem harmlosen, kleinen Augenproblem.

 

'Vielleicht sollte ich einfach mal wieder häufiger weinen', dachte ich beim gehen in Richtung der gläsernen Schiebetüren, die sich vollautomatisch öffnen wollten, jedoch ratternd auf halbem Wege versagten.

Ich zwängte mich seitwärts durch den entstandenen Spalt. "Gleitmittel.", dachte ich trocken. "Gleitmittel könnten auch hier eventuell helfen."

Mein Blick, der zumindest, der gleitet doch Gott sei dank wie von selbst. Na ja, falls ich ihn nicht gerade willentlich daran hindere.

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